Wachsen am Wir-Gefühl

Ute van Tulden (links) leitet mit Birgit Brandtscheit die Zerbster Tafel. Beim Besuch der Landtagsabgeordneten Cornelia Lüddemann (Mitte) informieren die beiden über das Angebot der Tafel.

Zerbst, 9. Oktober 2014   I   Volksstimme   I  von Bianca Schwingenheuer
 
 Die Zerbster Tafel verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der die ganze Familie mit einbezieht  
Ute van Tulden (links) leitet mit Birgit Brandtscheit die Zerbster Tafel. Beim Besuch der Landtagsabgeordneten Cornelia Lüddemann (Mitte) informieren die beiden über das Angebot der Tafel. | Foto: bs

Wer in eine Notsituation gerät und die Tafel in Zerbst nutzen muss, lernt schnell: Wer hierher kommt, soll hier auch zu Hause sein. Darüber informierte sich jetzt die Landtagsabgeordnete Cornelia Lüddemann (Bündnis 90/Die Grünen).

Zerbst l Mitgebracht hat Landtagsabgeordnete Cornelia Lüddemann (Bündnis 90/Die Grünen) nichts. Gegangen ist sie mit dem Kopf voller Ideen und Anregungen für viele Bereiche. Dafür hat Birgit Brandtscheit gesorgt. Sie erklärte der Politikerin, wie die Kindertafel arbeitet. „Ich sage immer wieder, dass Arbeiten sich lohnt“, sagte sie. Das führt zu einem ganzheitlichen Ansatz, auch bei der Betreuung der Kinder. Sie kochen, basteln und machen bei der Kindertafel ihre Hausaufgaben. Wichtig ist, dass sie das nicht alleine tuen, sondern immer ihre Eltern dabei haben. „Manchmal klappt das nicht und die Kinder kommen trotzdem regelmäßig her“, so Brandtscheit. Das sei zwar nicht Sinn und Zweck, dennoch werde kein Kind weggeschickt.

Wie gut das Konzept funktioniert, erzählt eine der Mütter. Sie besucht die Kindertafel seit deren Gründung 2007. Ihr heute 16-jähriger Sohn habe dadurch gelernt zu kochen und nimmt seiner Mutter viel Arbeit ab.

Die Tafel finanziert sich komplett aus Spenden „Wir zahlen alles selber“, sagt Birgit Brandtscheit. Ohne die Mitarbeit der Gäste bei der Tafel würde es nicht funktionieren. „Dadurch entsteht ein Wir-Gefühl und die Leute wachsen daran“, erklärt Brandtscheit. Wichtig sei, dass das Tempo nicht vorbestimmt ist. Jeder hilft, wo und wie er kann. So gibt es auch Erfolgsgeschichten, bei denen die Tafel-Besucher wieder fit für den ersten Arbeitsmarkt gemacht wurden. Besonders mit der Kindertafel zieht Birgit Brandtscheit viel Aufmerksamkeit auf sich.

„Ich bin beim Neujahrsempfang darauf gestoßen, so etwas Besonderes kannte ich vorher gar nicht“, sagt Cornela Lüddemann. Dass bei der Tafel in Zerbst nicht nur die Ausgabe von Lebensmitteln, sondern auch deren Verarbeitung im Mittelpunkt steht, findet sie schön. Allerdings stößt sie auch immer wieder auf Probleme. So erzählt Birgit Brandtscheit, dass die Spende der Firma Zetieba (Volksstimme berichtete) zwar dabei geholfen habe, den Sommerurlaub für das kommende Jahr zu sichern. Für dringend benötigte Edelstahltische für die Essensausgabe fehlt aber das Geld. „Vielleicht kann ich da eine Unterstützung aus dem Aktionfonds unserer Partei erwirken“, erklärt Cornelia Lüddemann eine ihrer Ideen für die Zerbster Tafel. Außerdem möchte sie gerne einen Tag lang mitarbeiten, um die Situation vor Ort besser verstehen zu können. „Und das möchte ich dann gerne weitervermitteln, dass es auch Leute gibt, denen es nicht gut geht.“

Für mehr Verständnis wirbt auch Birgit Brandtscheit. Wenn die Leute zum Beispiel sagen würden: Wenn ihr von Hartz IV lebt, warum könnt ihr euch dann ein teures Handy leisten? Dann versucht sie zu erklären, dass dieser Luxus dafür sorgt, dass sich die Menschen nicht ausgegrenzt vorkommen und das Handy häufig der einzige Gegenstand von Wert ist, der vorhanden ist.

Wenn Sie jemanden kennen, der seine (gebrauchten) Edelstahltische loswerden möchte, kann sich an Birgit Brandtscheit wenden. Telefon: (03923) 48 74 80 oder per Email an zerbstertafel@diakonie-zerbst.de. Auch Essens- oder Geldspenden sind gern gesehen.

Quelle: http://www.volksstimme.de/nachrichten/lokal/zerbst/1355474_Wachsen-am-Wir-Gefuehl.html

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