Der Demotag fing in der Nacht vorher mit einer guten Nachricht an. Sowohl das Verwaltungsgericht, als auch das Oberverwaltungsgericht gaben unserer Klage Recht. Also fand ich mich am Morgen des 12.1. gegen 9.30 Uhr auf dem Jerichower Platz ein, um meine Kundgebung und den Wahlkampfstand zu leiten. Bis ca. 12 Uhr hatten sich schätzungsweise 500 Menschen eingefunden. Diese blockierten z. T. die Herrenkrugstraße, Ecke Tessenowstraße. Zogen dann vor an die Kreuzung auf der B 184, wobei der Autoverkehr immer gewährleistet war.
Kurz nach 13 Uhr kam die Nachricht, dass die Nazis auch in Buckau nicht die Züge verlassen haben, sondern im Industriegebiet Salbke marschieren werden. Daraufhin gab es am Lautsprecherwagen eine Beratung der SprecherInnen aller anwesenden Gruppen. Sehr konstruktiv. Ich löste daraufhin die Kundgebung am Jerichower Platz auf und die Anwesenden setzten sich in ordentlicher Demoformation friedlich in Marsch über die Elbbrücken und dann links einbiegend ins Schleinufer. Ich lief mit meinem Büroleiter und dem Rechtsreferenten unserer Fraktion neben der Demospitze her, um beim zu erwartenden Zusammentreffen mit der Polizei ggf. vermitteln zu können.
Unterhalb der Johanniskirche, auf der Höhe des ersten Busparkplatzes musste ich dann etwas für mich Unglaubliches erleben. Nur 20 Meter vom Geschehen entfernt.
Eine Gruppe von ca. 20 PolizistInnen (bislang war keine Polizei aufgetaucht) überholte uns, ich hörte „Alle Mittel sind freigegeben!“ dann stürzten sich die PolizistInnen ohne Ansprache aus vollem Lauf auf die erste Reihe des Demozuges, setzten sofort Pfefferspray und Schlagstöcke ein und sprengten so den bis dahin friedlichen Zug. Die Teilnehmenden rannten auseinander.
Nach einem Zwischenstopp an der Meile der Demokratie begab ich mich zu eingekesselten Demonstrierenden in die Hegelstraße, Höhe Spielplatz, Lokal Franx. Ein Bürger aus Magdeburg und ich versuchten, eine Spontandemo anzumelden. Anfangs sprach die Polizei mit uns. Dann nicht mehr mit dem Hinweis auf nachzugehenden Störungen. Nach meiner Beobachtung entstanden zahlreiche davon nachdem eine BFE-Einheit wiederholt und auch hier wieder ohne Ansprache, Teilnehmende scheinbar willkürlich aus dem Kessel zog.
Hier und auch bei der Demo vom Jerichower Platz konnte ich feststellen, dass die Demonstrierenden über belastbare Strukturen und anwaltliche Begleitung verfügten, welche die Polizei für Absprachen hätte nutzen können.
Nach Stunden tatenlosen Stehens konnte sich der Zug dann Richtung Hauptbahnhof in Bewegung setzen. Dort kam es neben dem City Caree wieder zu einer Einkesselung. Die dort erfolgten Stein- und Flaschenwürfe sind nicht zu rechtfertigen. Aber ich schätze klar ein, dass die Polizei über den Tag mit ungerechtfertigten und brutalen Aktionen ein Eskalationspotenzial befördert hat. Und ich bin sehr froh, dass sich dies nicht schlimmer entladen hat.
Abschließend noch mal ganz klar: Gewalt ist an keiner Stelle als Mittel legitimiert. Aktionen, wie ich sie vom Breiten Weg im Fernsehen sah (Sachbeschädigung an Polizeiwagen, Schaufenstern, Verkehrsschildern, sind zu verurteilen. Steineschmeißen ist zu verurteilen.
Aber genau so ist der oben beschriebene Einsatz von Polizeikräften zu verurteilen. Und es bleibt zu hinterfragen, ob die Desinformationspolitik der Polizei sinnvoll ist, die jeden friedlichen und demokratischen Protest in Sichtweise der Nazis unmöglich
machte.
Cornelia Lüddemann
Landtagsabgeordnete und Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Sachsen-Anhalt
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